Im Estnischen gibt es keinen Artikel. Es gibt weder bestimmte Artikel, also so etwas wie das deutsche "der, die, das", noch unbestimmte Artikel, also: "ein, eine, ein". Der Satz "", lautet wortweise: Dieser ist Lehrer. In freier (sinngetreuer und grammatisch korrekter) Übersetzung lautet der Satz Das ist der Lehrer. oder Das ist ein Lehrer. Welchen Artikel wir in der deutschen Übersetzung wählen - den bestimmten "der" oder den unbestimmten "ein" - hängt vom Bedeutungszusammenhang (Kontext) ab, in dem der Satz steht.
Estnische Wörter haben kein grammatisches Geschlecht. Sie werden also nicht in eine männliche, weibliche und sächliche Gruppe eingeteilt. Dies ist genauso wie im Englischen, wo es ja bei den Nomen auch keine Unterschiede gibt. (Alle Nomen haben den gleichen Artikel "the".) Während jedoch im Englischen das Geschlecht bei den Personalpronomen unterschieden wird ("he", "she" und "it"), fehlt die Unterscheidung im Estnischen gänzlich. Es gibt nur ein einziges Personalpronomen der 3.Pers.Sg. im Estnischen "tema" und dies bedeutet - je nach Kontext, "er", "sie" oder "es".
Einer Berufsbezeichnung kann man wie im Deutschen auch nicht unmittelbar entnehmen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. "" (Lehrer) kann ein Mann oder eine Frau sein. Soll explizit darauf hingewiesen werden, dass es sich um eine weibliche Person handelt, kann bei Berufsbezeichnungen das Präfix "nais-" verwendet werden, also "" (Lehrerin). Unterschiedliche Affixe gibt es beispielsweise bei den Nationalitäten, so z.B. "" (der Este) und "" (die Estin).
Estnisch kennt wie das Deutsche den Unterschied zwischen Einzahl (Singular) und Mehrzahl (Plural). Die Mehrzahl von "der Lehrer" "" lautet z.B. "" und bedeutet "die Lehrer".
Die Pluralform "" wird also durch Anhängen der Pluralendung "-d" an den Stamm "" gebildet - allerdings durch Anhängen an den Genitivstamm. Nur bei dem Wort "Lehrer" (und einigen anderen) sind Nominativstamm und Genitivstamm identisch. Der Genitivstamm ergibt sich jedoch leider nicht systematisch aus dem Nominativstamm - er muss für jedes Nomen zusätzlich zum Nominativstamm gelernt werden. (Im Vokabelverzeichnis findet sich deshalb ab der zweiten Lektion für jedes deutsche Nomen sowohl der estnische Nominativ als auch der estnische Genitiv des Wortes.)
Da es kein grammatisches Geschlecht gibt, gibt es auch keinen Formenunterschied bei den Demonstrativpronomen. So bedeutet "" entweder "dieser", "diese" oder "dies(es)". Wir verwenden jedoch bei der Übersetzung in einem Gleichsetzungssatz, wie oben gesehen "" meist das entfernungsneutrale Demonstrativpronomen "das".
Das Demonstrativpronomen für weiter entfernte Dinge "" (jener, jene, jenes) ist wie im Deutschen ungebrächlich geworden.
Die einfachsten aller Sätze sind Gleichsetzungssätze: X ist Y, z.B. "Er ist Lehrer." Dabei stehen X und Y, "er" und "Lehrer" beide im Nominativ.
Im deutschen Gleichsetzungssatz, bei dem X bzw. Y ein Demonstrativpronomenen ist, steht unabhängig von Geschlecht und Numerus immer das neutrale Demonstrativpronomen "das", also "Das ist ein Mann." (und nicht "Der ist ein Mann."), "Das ist eine Frau." (und nicht "Die ist eine Frau."), "Das ist ein Kind." und "Das sind Autos." (und nicht "Die sind Autos.").
Im estnischen Gleichsetzungssatz mit Demonstrativpronomen gibt es zwar keinen Unterschied hinsichtlich des Geschlechts wohl aber hinsichtlich des Numerus. Der Plural von "" Das ist der Lehrer. lautet deshalb "" Das sind die Lehrer.. Dabei wird die (unregelmäßig gebildete) Pluralform "" (diese bzw. die) des Demonstrativpronomens "" (dieser, diese, dieses bzw. der, die, das) verwendet.
Die 3. Person des Hilfsverbs "" (sein) lautet sowohl im Singular als auch im Plural "" - verändert sich aber bei den anderen Personen (s.u.)
Die Personalpronomen im Estnischen haben (im Nominativ) eine Lang- und eine Kurzform. Die Langform wird meist verwendet, wenn das Personalpronomen besonders betont werden soll, ansonsten in der Regel die Kurzform. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen geschriebener und gesprochener Sprache.
Die Personalpronomen in der Übersicht:
Singular | Plural | |
---|---|---|
1. Person | minu, ma (ich) | meie, me (wir) |
2. Person | sina, sa (du) | teie, te (ihr; Sie alle) |
2. Person (höflich) | teie, te (Sie) | |
3. Person | tema, ta (er, sie, es) | nemad, nad (sie) |
Im Estnischen werden die Verben wie im Deutschen (u.a.) in Abhängigkeit von Person und Numerus gebeugt (konjugiert). Für das Hilfsverb "sein" lautet das Paradigma im Präsens
Präsens von "sein" (affirmativ):
Singular | Plural | |
---|---|---|
1. Person | minu olen (ich bin) | meie oleme (wir sind) |
2. Person | sina oled (du bist) | teie olete (ihr seid; Sie alle sind) |
2. Person (höflich) | teie olete (Sie sind) | |
3. Person | tema on (er, sie, es ist) | nemad on (sie sind) |
Hier kann natürlich auch die Kurzform der Personalpronomen stehen. Zudem kann in der 1. und 2. Person das Personalpronomen fortgelassen werden.
Im (existenz-) negierten Fall, ändert sich das Hilfsverb nicht. Es lautet immer "" wortwörtlich "(nicht ist)":
Präsens von "nicht sein" (negativ):
Singular | Plural | |
---|---|---|
1. Person | minu ei ole (ich bin nicht) | meie ei ole (wir sind nicht) |
2. Person | sina ei ole (du bist nicht) | teie ei ole (ihr seid; Sie alle sind nicht) |
2. Person (höflich) | teie ei ole (Sie sind nicht) | |
3. Person | tema ei ole (er, sie, es ist nicht) | nemad ei ole (sie sind nicht) |
Satzfrage (Ja/Nein-Frage)
Satzfragen werden im Deutschen durch Umstellen der Wortreihenfolge gebildet: Das Verb rückt an den Satzanfang: Ist das der Lehrer? bzw. Ist das ein Lehrer?. Im Estnischen wird die Satzfrage dagegen mit dem Fragewort (abgekürzt FP) "" eingeleitet, also "". Die Wortstellung des entsprechenden Aussagesatzes ändert sich dabei nicht. Das Fragewort wird deshalb nicht ins Deutsche übersetzt.
Wortfrage (W-Frage)
Folgende Fragewörter finden sich in der ersten Lektion:
Deutsch | Estnisch |
---|---|
wer? | kes? |
was? | mis? |
wo? | kus? |
Die Fragewörter stehen im Estnischen wie im Deutschen typischerweise am Satzanfang. So z.B. "" Wer ist das? oder "" Was ist das? oder "" Wo ist der Lehrer?
© 2005 | Reinhold Greisbach (Institut für Linguistik - Phonetik) | & | Bille Roosmaa (Institut für nordische Philologie) |
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