Eine Besonderheit der Verwandtschaftsbeziehungen bieten die Geschwisterbezeichnungen. Während in Mitteleuropa das Geschlecht der Geschwister für ihre Benennung ausschlaggebend ist - im Deutschen heißen männliche Geschwister "Bruder" und weibliche "Schwester" - ist es in der Mongolei das Alter. Ältere Geschwister haben eine andere Bezeichnung als jüngere.
Letztere, d.h. die jüngeren heißen unabhängig von ihrem Geschlecht дүү. Die Geschlechtsunterscheidung der jüngeren Geschwister geschieht durch Voranstellen des Wortes эрэгтэй für jüngere Brüder und эмэгтэй für jüngere Schwestern. Bei älteren Geschwistern gibt es getrennt nach Geschlechtern zwei unterschiedliche Wörter: ах für ältere Brüder und эгч für ältere Schwestern.
Spricht man allgemein von Geschwistern, so sagt man ах дүүс oder эгч дүүс.
Will man sagen: "Ich habe viele Geschwister." so gibt es im Mongolischen - wo es kein eigenes Wort für "haben" gibt - mehrere Möglichkeiten. So etwa die Umschreibung von "haben" mit dem Dativ (DAT; "Wem"-Fall bzw. 3.Fall):
Oder man wählt die Umschreibung von "haben" mit dem Komitativ (KOM; "Mit wem"-Fall bzw. 7.Fall):
Mongolen haben nur einen einzigen Namen, den sie von Ihren Eltern bekommen. In unserem europäischen Sinne entspricht dies dem Vornamen oder Rufnamen. In der Familie auf dem Bild heißt der Großvater Жамц, der Vater Болд, die Mutter Сараа und die Tochter Намуун.
Redet man einen Mongolen an, dann benutzt man diesen Namen. Wenn man nicht näher mit ihm bekannt ist, stellt man - sowohl bei Männernamen als auch bei Frauennamen - das Wort "guaj" hinter den Namen, was folglich mit "Herr" oder "Frau" übersetzt wird. Bei Kindern läßt man in der Anrede dieses Wort natürlich in jedem Fall fort.
BEISPIEL:
Herr Dschamts | Жамц гуай | |
Herr Bold | Болд гуай | |
Frau Saraa | Сараа гуай | |
Namuun | Намуун |
In amtlichen Dokumenten haben Mongolen noch einen zweiten Namen. Den können die Eltern nicht frei wählen, sondern er ergibt sich automatisch. In den mitteleuropäischen Ländern ist dieser Automatismus der Familienname. Jede Familie hat einen eigenen Namen, diesen Familiennamen geben die Eltern an ihre Kinder und diese wiederum an ihre Kinder. Bei einer Heirat nimmt - in der Regel - die Frau den Familiennamen ihres Mannes an. Im Deutschland heißt ihr alter Familienname dann Geburtsname. Der Familienname wird nach dieser Regel u.U. über viele Generationen weitergegeben und dokumentiert den Zusammenhang einer Familie.
Anders dagegen im Mongolischen. Hier erhält man statt des Familiennamen automatisch den Vatersnamen und der ändert sich im Laufe des Lebens nicht. Auch bei einer Heirat ändern Mann und Frau ihre Namen nicht. Die Kinder erhalten dann den Vatersnamen vom Vater und der unterscheidet sich von dessen Vatersnamen, so dass im Mongolischen anhand des "automatischen" Namens keine Familienbeziehung &uumL,ber die Generationen nachzuweisen ist.
Der Vatersname "овог" wird dem eigentlichen Namen "нэр" vorangestellt. Zur Bildung des Vatersnamen wird der Name des Vaters mit der Genitivendung versehen. In einigen Regionen Deutschlands ist diese Namensgebung im Dialekt bzw. der Umgangssprache auch verbreitet, z.B. statt "Gerd Müller" die Bezeichnung "Müllers Gerd".
In unserer Familie heißt der Großvater Жамц. Der amtliche (eingerahmte) Name des Vaters, der Болд gerufen wird, ist deshalb Жамцын Болд. Aus Жамц wird mit der Genitivendung Жамц=ын. Auf die gleiche Weise übernimmt der Enkel den Namen seines Vaters: Aus Болд, dem Namen des Vaters, wird der Vatersname Болд=ын und somit heißt der Enkel Очир dann Болдын Очир.
Auf der anderen Familienseite heißt der Großvater Ням. Der amtliche (eingerahmte) Name der Mutter Сараа ist deshalb Нямын Сараа. Die Mutter ändert ihren Namen nicht. Der Name ihrer Kinder unterscheidet sich deshalb völlig von ihrem eigenen. Denn auch ihre Tochter Намуун bekommt den Vatersnamen vom Vater Болд und heißt offiziell Болдын Намуун.
© 2005 | Reinhold Greisbach (Institut für Linguistik - Phonetik) | & | Nyamaa Purevshargal (FB 07) |
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