Im Deutschen gibt es für die Gegenwart nur eine Zeit. Im Mongolischen müssen wir, wie im Englischen unterscheiden, ob die Tätigkeit andauert. Dann verwenden wir die Progressive Form (Present Progressiv), also V. In den meisten anderen Fällen ist die Habituale Form V angemessen. Alternativ kommt noch die Präsens-Futur Form V in Frage, die aber eine in die Zukunft gerichtete Zusatzbedeutung hat. Wir stellen dieses Suffix deshalb erst als Futurform in Kap. 7 vor.
Wir hatten in Kap. 2 die Progressive Gegenwartsform des Verbs (Present Progressiv) kennengelernt. Sie wurde gebildet, indem an den Stamm des Verbs die Endung oder gehängt und das Hilfsverb nachgestellt wurde.
Übersetzt man die Form mit als Partizip Präsens, dann bedeutet z.B. "trinkend", engl. "drinking". Das Hilfsverb ist die Präsens-Futur Form des Verbs "sein" mit der Endung . Also heißt der Satz wörtlich "Ich bin trinkend.", i.S.v. "Ich trinke gerade.". Die Übersetzung ins Englische gelingt damit unmittelbar: "I am drinking."
Die Verbform mit kann nicht nur mit dem Hilfsverb "sein" sondern mit allen anderen Verben verbunden werden. Dadurch wird die Gleichzeitigkeit der beiden Handlungen ausgedrückt. Dabei erhält nur das zweite Verb das Zeitsuffix, das den Zeitpunkt der Handlungen in Gegenwart (bisher hatten wir den Habitual und das Präsens-Futur), die Zukunft (oben hatten wir die Endung für das Präsens-Futur) oder Vergangenheit (vgl. Kap.5) bestimmt. Der Satz wörtlich "Ich sitze Tee trinkend." wird im Deutschen meist mit der Konjunktion "und" wiedergegeben: "Ich sitze und trinke Tee." Im Englischen ist diese Konstruktion dagegen möglich: "I sit drinking tea."
Beide Verben können unterschiedliche Objekte haben, was z.B. beim Satz als "Ich sitze Tee trinkend im Zimmer." auch unmittelbar ins Deutsche übersetzbar wäre. Üblicherweise verwendet man bei der Übersetzung jedoch die Satzkonjunktion "und".
Tatsächlich lassen sich auf diese Weise ganze Satzketten konstruieren: : Ich sitze im Zimmer, trinke Tee und lese die Zeitung. Genauso wobei nur das Wort "oder" eingefügt werden muss: "Ich sitze im Zimmer, trinke Tee oder lese die Zeitung."
Diese Konstruktion erlaubt es auch Sätze mit unterschiedlichen Subjekten zu kombinieren: "Der Lehrer liest und der Schüler schreibt (immer)."
Die Verbform mit erfordert also immer ein (unmittelbar anschließend oder etwas später folgendes) zweites Verb. Verbformen dieser Art heißen deshalb Konverben. Es gibt eine ganze Reihe dieser Konverben im Mongolischen. Die Form mit drückt eine Unvollständigkeit der Handlung aus, und heißt deshalb Imperfektives Konverb. Wir kürzen dieses Suffix mit CV.IMP. Im Text der Lektion finden sich in den Anmerkungen für Fortgeschrittene noch weiter Konverben: das "Perfektive Konverb" (CV.PERF), und das "Modale Konverb" (CV.MOD), die erst später genauer erklärt werden.
Die Satzkonstruktion mit dem Imperfektiven Konverb ersetzt also die Verbindung zweier Hauptsätze mittels "und" im Deutschen. Die Satzverbindung mittels oder ist zwar auch möglich, wird jedoch seltener verwendet.
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